Seit Ende 2018 erfreut sich Pano2VR 6 großer Beliebtheit unter den Produzenten von interaktiven 360°-Projekten. Gesteigert wurde dessen Marktanteil in dieser Zeit durch den Wegfall von Panotour Pro, das vom Eigentümer Gopro eingestellt wurde und viele PTP-User zu Pano2VR wechseln ließ. Pano2VR teilt sich nun mit dem noch verbliebenen Konkurrenten 3DVista den Markt der GUI-basierten Desktop-Apps für die Produktion von professionellen 360°-/Panorama-Tour-Projekten.
Nummer 7
Nach etwas mehr als 3 Jahren betritt nur der Nachfolger mit der Versionsnummer 7 in Form einer Public Beta die Bühne. Viel Umgewöhnung wird dem User nicht abverlangt. Das User Interface ist bis auf ein paar kleinere Änderungen und Verbesserungen gleich geblieben.
User Interface
Angenehm fällt auf, dass es jetzt nurmehr ein einziges Eigenschaften-Panel gibt, das zeitweise (wenn ein Panorama aktiv ist) in vier Tabs organisiert ist. Die Einstellungen für die Ausgabe sind damit folgerichtig als Eigenschaften der Ausgabe nach rechts in dieses neue Panel gewandert.
Ein sehr netter kleiner Helfer ist das globale Node Highlight: Schwebt man mit der Maus über einem Panorama im Tour-Browser, über einem Marker auf der Karte oder über einem Hotspot im Viewer, wird in den jeweils beiden anderen Panels der aktuelle Node gelb markiert. Das hilft sehr bei der Orientierung in größeren Projekten.
Ein weitere, angenehme Neuerung ist die freie Vergabe von Tasturbefehlen in den Voreinstellungen.
Neue Projekt-Features
Schon jetzt eines meiner Lieblings-Features sind die neuen Custom Properties, selbst definierbare Eigenschaftsfelder, die bei den Benutzerdaten (User Data) zuhause sind. Sie ersparen bei komplexeren Projekten in Zukunft das »Missbrauchen« von andern Feldern in den Benutzerdaten oder bei den Hotspots. Überaus praktisch ist auch die Tatsache, dass diese Custom Properties auch als Variablen im Skin Editor zur Verfügung stehen.
Für alle, die (wie ich) schon die Aufgabe hatten, mehrsprachige Pano2VR-Projekte zu produzieren, kommt nun eine große Erleichterung: Die Version 7 hat nun einen Workflow für Übersetzungen eingebaut. Dafür gibt es eine Reihe von technischen Ansätzen, von denen ich bereits mehrere entwickelt habe.
Der Weg, den Pano2VR hier geht, ist optimal für ein breite Anwendung, da die Übersetzungsdateien im PO-Format (»Portable Object«) angelegt und verarbeitet werden. Diese Dateien sind quasi »Industriestandard« bei professionellen Übersetzungen (nicht nur im IT-Bereich) und können z.B. direkt von Übersetzungsdienstleistern bearbeitet werden. Die Software Poedit ist das Standard-Tool für die Bearbeitung dieser Übersetzungsdateien. Die Basis-Version ist kostenlos. Die »Pro«-Version kostet ~30€ einmalig oder ab 3,33€/Monat und beinhaltet den Zugang zu maschinellen Übersetzungs-Diensten.
Das Projekt und das Skin werden gescheiterweise und im Sinne einer Wiederverwendbarkeit von Skins getrennt übersetzt.
Für Entwickler wie mich, die Pano2VR oft und gerne über die JavaScript-API erweitern, kommt als große Hilfe hinzu, dass jetzt die Hotspot-IDs als Platzhalter zugänglich sind. Um z.B. nur bestimmte Hotspots mit einer Aktion zu versehen, waren bisher selbst programmierte Funktionen nötig.
Die Projekt-Ausgabe heisst nun Web Output und hat einen kleinen neuen Button dazubekommen, der für den produktiven Workflow gar nicht hoch genug geschätzt werden kann: Das neue Live Update.
Jede Änderung am Projekt (also im Hauptfenster) und im Skin Editor löst umgehend einen Browser Reload aus, wobei im Hauptfenster gespeichert werden muss, im Skin Editor hingegen bereits jede Änderungen auch ohne Speichern sofort im Browser angezeigt wird. Arbeitet man dann noch mit zwei Bildschirmen, spart man hier ohne Übertreibung pro Tag viele Meter mit der Maus und Hunderte von Tastenanschlägen, weil man Pano2VR nicht mehr für die Browservorschau verlassen muss. Das Live Update funktioniert übrigens nicht nur in dem Browser, der mit dem Vorschau-/Play-Button geladen und aktiviert wird (also der System Browser), sondern für alle, die auf die URL des Webservers von Pano2VR zeigen. Das vereinfacht massiv das Testing. Für ähnliche Funktionalitäten musste man bisher in die Trickkiste lokaler Entwicklungsumgebungen greifen, was für wenig technik-affine User eher keine Option ist.
Skin Editor
Dort finden sich so viele Neuerungen und Verbesserungen, dass hier von denen nur die wichtigsten genannt seien.
Es gibt nun eine Suchfunktion nach Elementen, Texten, Variablen etc. Das habe ich schon oft vermisst! Jedes Element hat nun ein Notiz/Kommentarfeld (natürlich ebenfalls suchbar), was die Fremd- und Eigendokumentation erheblich vereinfacht.
Die Mute/Unmute-Funktionen erlauben nun eine einfachere Handhabung von Ton, v.a. bei (mehreren) Videos. Zu den bekannten Factory Skins Simplex und Silhouette kommen vier neue hinzu: Venis, Neto, Feather und Material, einige davon in mehreren Variationen.
In der Komponenten-Sammlung kommt ein neuer Tab Icons dazu, der auch gleich mit ganzen Icon-Famlilien passend zu den neuen und alten Factory Skins gefüllt ist, alle natürlich als SVG. Alle SVG-Elemente im Skin Editor haben hier dann folgerichtig auch einen Extra-Button dazu bekommen, mit dem sie nicht nur durch eine neue Datei, sondern auch direkt durch ein Icon aus der Kompenten-Sammlung ersetzt werden können.
Ebenfalls neu im Skin Editor und auch in der Komponenten-Sammlung sind die sogenannten Lottie-Animationen. Das sind eigenständige SVG-Animationen, die sehr kleine Dateigrößen aufweisen und die uralten und mühsamen Animated GIFs ablösen sollen und wohl auch werden. Man kann sie in externen Editoren erstellen und bearbeiten. MIt ihnen kann man bewegte Hotspots-Icons, Logo-Animationen und Loading Bars in Pano2VR-Skins integrieren. Einige vorgefertigte Animationen befinden sich bereits im Lieferumfang im ebenfalls neuen Tab Lottie Animations in der Kompenenten-Sammlung.
Mit den neuen Logic-Block-Bedingungen Hotspot Screen X (%) und Hotspot Screen Y (%) kann man nun z.B. Hotspots zum Bildschirmrand hin ausblenden. Das ging bisher nur mit eher auswändiger externer JavaScript-Programmierung.
Der Kloner hat im Tabellen-Modus eine neue Spalte Description bekommen, in der sich z.B. auch URLs hinterlegen lassen. Damit sind z.B. Links, die nichts mit der Tag- und Node-Struktur des Projekts zu tun haben, z.B. am Schluss des Node-Menüs noch Links zur Datenschutz- und Impressum-Seite möglich.
Eine Riesenerleichtung, vor allem bei größeren und komplexeren Projekten ist das Suchen und Finden von Variablen und deren Verwendung (Rechte Maustaste > »Find Usage«). Das globale Umbenennen von Variablen (Refactoring) beherrscht Pano2VR nun ebenfalls.
Ebenfalls in den Bereich des Bedarfs für komplexere Projekte fallen die Möglichkeiten des neuen Codeblock-Elements. Bisher konnte man schon in Textfeldern JavaScript-Code hinterlegen und auch in den Eigenschaften des Skins unter »Externe Dateien« eigene JS- und CSS-Dateien einbinden. Der neue Codeblock fasst nun für JavaScript diese beiden Möglichkeiten quasi zusammen und erweitert sie dabei noch, denn der Code, der in das Code-Feld dieses Elements geschrieben wird, lässt sich durch den »Speichern«-Button in eine externe Datei auslagern und als solche externe Datei gleich wieder einbinden (Zeile mit Checkbox »File« gleich darunter). Zudem erfasst auch das Live Update alle Änderungen an diesen Codeblocks, auch in den externen Dateien, wenn diese woanders bearbeitet werden! Auch wenn der Codeblock nur für JavaScript gedacht ist, lässt er sich einem Trick auch auf CSS Code erweitern.
Das Auslagern von JavaScript- und CSS-Dateien hat den großen Vorteil, dass man den Code extern mit Editoren wie z.B. VS Code, Atom oder großen IDEs wie z.B. PhpStorm bearbeiten kann, die dafür mit eingefärbter Syntax, Fehlersuche und -anzeige, guter Lesbarkeit des Codes ("Beautify") sowie Code-Bibliotheken mit Auto-Vervollständigung wesentlich besser geeignet sind als die Textfelder in Pano2VR, denn Pano2VR ist ja nach wie vor klar darauf ausgerichtet, dem Benutzer auch komplexere interaktive Projekte ohne eine einzige Zeile Code zu ermöglichen.
Dass die Pano2VR-Entwickler aber mit Features wie dem neuen Codeblock auch Rücksicht auf jede Minderheit nehmen, die Programmierkenntnisse hat und die Pano2VR JavaScript API auch für sehr spezielle Kundenwünsche und (hoch-)komplexe Projekte einsetzen will und muss, ist ihnen nicht hoch genug anzurechnen.
Ebenfalls neu ist die Möglichkeit, im Skin nativ PDFs anzeigen zu lassen. Bisher war man auf die Fähigkeiten des Browsers angewiesen, wenn es um die Darstellung von PDFs ging. Da gab und gibt es einige Hürden und wenig Verlässlichkeit. Nun nimmt Pano2VR das elbst in die Hand. Die Funktionen und Darstellungsmöglichkeiten dieses Features orientieren sich an den PDF Engines von Firefox und Chrome.
Neue Hotspots und Elemente im Panorama
Zu der ohnehin schon großen Vielfalt an Elementen, die im Panorama verankert werden können (Hotspots, Medien etc.), sind nun neben Verbesserungen bei bestehenden Elementen auch neue Typen hinzugekommen. Bilder und Videos, die bisher 3D-mäßig im Panorama platziert werden konnten, z.B. als Video auf einem TV-Screen im Bild, können nun nicht mehr nur per Drehung um die X-, Y- und Z-Achse und mit Skalieren eingepasst werden, sondern sehr viel einfacher per »Corner Pinning«, also mit Anfassern an den vier Ecken.
Dieses Corner Pinning erstreckt sich auch einen neuen Element-Type, das Web-Element (Abb. oberhalb), mit dem man nun HTML in perspektivischer Form im Panorama zeigen kann. Das können externe Websites sein (per iFrame), zugeladene, externe HTML-Stücke oder im einfachsten Fall HTML, das im Code-Feld des Elements in Pano2VR eingegeben wird. Angefangen mit einen YouTube-Player, der jetzt räumlich platziert werden kann und nicht mehr nur als Popup im »flachen« Skin, bis hin zu Formularen, die »an der Wand kleben«, eröffnet dieses Element viele neue interaktive und gestalterische Möglichkeiten. Ein von vielen Usern schon lange ersehntes Feature und echtes Highlight dieser neuen Version!
Neue Karten-Features
Die Abteilung für Tourkarten hat auch einige Neuigkeiten und Verbesserungen spendiert bekommen. So lassen sich nun globale und nationale Karten mit einem Ausschnitt begrenzen. Das ist auch hilfreich, wenn z.B. Karten wie diejenige von Swisstopo nur einen bestimmten Bereich abdecken, den man mit dieser Funktion nun nicht mehr verlassen kann.
Bei den benutzerdefinierten Karten lassen sich nun »Multi Layer Maps« erstellen, wo man in einem Karten-Element verschiedene Karten und/oder Karten-Provider verwenden kann. Das gilt auch für Karten von Google mit unterschiedlichen Styles sowie Karten von Mapbox. Im Panel Tour Karte kann man nun ein Raster hinzuschalten, bei dem man die Gitterweite und die Ausrichtung einstellen kann. Außerdem kann man nun in Karten nicht mehr nur in ganzzahligen Schritten zoomen, sondern auch mit Fractional Zoom mit sehr viel feineren Abstufungen. Beim Verlinken gibt es nun praktischerweise einen neuen Modus, der von einem Node zu einer Auswahl oder zu allen anderen Nodes verlinkt (Automatic Linking from Current Node).
Fazit
Dieser Überblick erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt neben einigen Fehlerbehebungen noch eine Menge kleinerer Details und Neuigkeiten und ich hab mich hier bewußt auf die Highlights beschränkt. Da wir es hier noch mit einer Beta-Version zu tun haben, könnten da durchaus noch neue Features hinzukommen. Die aktuelle Version läuft am Mac bereits sehr stabil und ohne Fehlermeldungen und Abstürze. Der erste Eindruck ist überaus positiv und ich denke, ich lasse nach weiteren Tests diese Version bald auf Produktiv-Projekte los ...